
Suchmaschinen sind wie Exfreunde, mit denen du Anfang 20 viel zu lange zusammen warst:
Sie wissen alles über dich, sie behalten es für sich (nicht aus Anstand, sondern weil du auch noch einiges in der Hinterhand hast) und trotzdem servieren sie dir bei jeder neuen Anfrage genau das, was du eh schon glaubst. Ein toxisches Geben und Nehmen auf digitaler Ebene.
Willkommen im goldenen Käfig namens Google. Der Ort, an dem Information nicht gefunden, sondern kuratiert wird – von Algorithmen, die mehr über dich wissen als deine Mutter. Google ist dabei nicht die einzige Suchmaschine, aber die mit Abstand mächtigste. Alternativen wie DuckDuckGo versprechen mehr Datenschutz, können aber mit der Google-Komfortzone selten mithalten.
Google ist kein Suchdienst. Es ist ein Kontrollzentrum mit höflicher Benutzeroberfläche.
Lass uns kurz das Technikwörterbuch aufschlagen – keine Sorge, es wird nicht nerdig, nur ehrlich. Google „sucht“ nicht das Internet durch, wenn du deine Frage eintippst. Nein. Es nutzt einen vorbereiteten Index – eine gigantische Datenbank, die ständig aktualisiert wird. Und wer füllt diesen Index? Genau: sogenannte Crawler.
Diese Webcrawler – auch liebevoll „Suchroboter“ genannt, als ob das hier noch ein Kindergeburtstag wäre, rasen ununterbrochen durchs Netz, lesen jede Seite, sammeln Metadaten, verlinken, bewerten und speichern. Sie arbeiten wie eine Mischung aus Staubsauger und Sekretärin mit Kontrollzwang. Was sie finden, landet im Index. Und was nicht im Index ist? Tja, existiert für Google quasi nicht.
Das heißt: Wenn du suchst, durchsuchst du nicht das Internet, sondern eine bereits vorsortierte, kuratierte, algorithmisch bewertete Welt. Gefiltert. Priorisiert. Und, Überraschung, stark beeinflusst von deinem Verhalten, deinem Gerät, deinem Standort und dem, was Leute wie du sonst noch so googeln.
SEO: Wenn Websites anfangen, sich für Maschinen hübsch zu machen
Hast du dich je gefragt, warum bestimmte Seiten immer ganz oben stehen? Weil sie gut sind? Naja. Weil sie hübsch sind, im Sinne von Search Engine Optimization (SEO). Das ist das Tinder für Websites: Du optimierst dich, damit du nach rechts gewischt wirst oder in diesem Fall auf Platz 1 landest.
SEO bedeutet, dass Inhalte nicht für Menschen geschrieben werden, sondern für Google. Mit sauberen Meta-Tags, schnellen Ladezeiten, möglichst mobilfreundlich und schön gespickt mit den richtigen Keywords. Das hat mit Inhalt oft nur am Rande zu tun. Sondern mit Verkaufspsychologie für Maschinen.
Die Wahrheit ist: Du klickst nicht, weil du denkst – du klickst, weil Google dich so konditioniert hat.
Die Autovervollständigung weiß, wer du bist – bevor du’s selbst weißt
Du willst nach deinem Namen googeln, aber schon bei „A“ schlägt dir Google „ADHS Test Erwachsene“ vor.
Nicht, weil du Symptome hättest, sondern weil halb Instagram sich gerade kollektiv mit Selbst-Diagnosen versorgt wie andere mit Avocado-Toast. Willkommen im Zeitalter der algorithmischen Selbsterkenntnis.
Die Autocomplete-Funktion ist kein Gimmick. Sie ist ein Fenster in den kollektiven Wahnsinn der Menschheit. Sie basiert auf massenhaften Suchdaten nicht auf Sinnhaftigkeit.
Die Eingabe „Klimawandel ist“ wird dir etwas anderes zeigen als deinem Onkel aus Bautzen mit drei Telegram-Kanälen und einem SUV. Warum? Weil Google personalisiert. Immer. Inkognito-Modus hin oder her – deine IP bleibt, dein Gerätetyp bleibt, dein Standort bleibt. Privatsphäre ist eine Illusion. Aber hey, wenigstens bekommst du passende Werbung für proteinreiche Müsli-Riegel angezeigt.
Personalisierung: Der Algorithmus als Hofnarr
Wir leben in einer Welt, in der uns nicht mehr das Internet erklärt wird – sondern wir uns von ihm bestätigen lassen. Google zeigt dir, was du eh schon denkst. Oder schlimmer: was du denken sollst. Willkommen in der Filterblase. Klingt süß. Ist in Wirklichkeit das Ende jeder Debatte.
Deine Suchergebnisse hängen ab von deinem Suchverlauf, deiner Spracheinstellung, deinem Gerät, deinem Standort, deinem Browserverlauf und von Leuten, die so sind wie du. Es ist ein soziales Biotop aus Code, Cookies und Clusterlogik. Du suchst. Google antwortet. Und beide lügen sich dabei gegenseitig an.
Und dann kommt ChatGPT – und macht alles noch absurder
Du dachtest, Suchmaschinen sind schon das Ende des Denkens? Dann schnall dich an: Die nächste Generation der Websuche ist schon da, sie heißt ChatGPT in Bing, Google Gemini, oder was auch immer OpenAI morgen auf die Bühne wirft. KI-basierte Assistenten, die dir keine Links mehr geben, sondern direkt eine Antwort. Kontextbasiert. Formuliert. Freundlich. Und genauso voller Filter, Bias und Datengrundlage wie die altbekannte Suche – nur dass es dir jetzt noch schwerer fällt, sie zu erkennen.
Diese neue Art des Suchens ist kein Add-on – sie ist ein Gamechanger. Bald wirst du keine 10 Ergebnisse mehr sehen, sondern eine wohlformulierte Antwort, die vorgibt, das Netz zusammenzufassen. Und spätestens dann musst du dir die Frage stellen:
Wer denkt hier eigentlich für wen?
Aber keine Panik wir reden demnächst noch ausführlicher darüber. Versprochen. Du darfst dann wieder googeln, ob das gefährlich ist.
Fazit: Suchmaschinen sind kein Fenster zur Welt. Sie sind Spiegel, Filter, Meinungsverstärker und du stehst mittendrin.
Wenn du Informationen suchst, findest du nicht die Wahrheit. Du findest das, was du schon dachtest, und was Google für klickwürdig hält.
Du bist nicht der Nutzer.
Du bist das Produkt.
Bonusfrage zum Drübernachdenken:
Wenn du dich selbst googelst – mit welchem Ergebnis wärst du eigentlich nicht einverstanden?
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