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#Das Geschäft mit Kindern in Social Media - Teil 4

#Das Geschäft mit Kindern in Social Media

Teil 4: rechtlicher Exkurs zu Kindern im Netz

Nun gut, wir können alle unsere Meinung haben. Aber rechtlich gibt es nun einmal ein paar Punkte, welche wir beachten sollten. Also wie sieht denn die Rechtslage aus? 

 

1. Dürfen diese Inhalte eigentlich einfach so ins Netz gestellt werden?

- Das Recht am eigenen Bild § 22 KunstUrhG

 

Prinzipiell liegt das Recht am eigenen Bild immer bei uns, wenn wir Erwachsen sind. Dies bedeutet: Unsere Freunde dürfen keine Bilder von uns einfach ins Netz stellen. Dies gilt prinzipiell auch für Kinder. Da diese jedoch noch nicht selbst handeln können, entscheiden bis zu einem Alter von 7 Jahren allein die Eltern darüber, was mit den Bildern geschehen soll. Zwischen 8 und 17 sollte das Kind bei der Entscheidung mit einbezogen werden. Ab 18 haben Kinder, welche nun damit auch Erwachsen sind, vollumfänglich das Recht am eigenen Bild. Damit dürfen Eltern keine Bilder ihrer Kinder mehr veröffentlichen, insofern diese dem nicht zugestimmt haben. Die Altersangaben wann das Kind mit einbezogen werden soll, sind hierbei nur eine grobe Empfehlung. Je nach Quelle lassen sich unterschiedliche Alter finden. Ab 7 sind Kinder jedoch beschränkt Geschäftsfähig. Die allgemeine Definition lautet meist so: „Ob zusätzlich auch die Einwilligung des Kindes einzuholen ist, orientiert sich an der Einsichtsfähigkeit des Kindes. Die Einwilligung ist dann erforderlich, wenn das Kind die Tragweite seiner Entscheidung, in die Verarbeitung seiner Daten einzuwilligen, vernünftigerweise absehen kann. Dabei wird angenommen, dass sich die Einsichtsfähigkeit mit zunehmendem Alter erhöht.“ ([https://www.spiritlegal.com/de/aktuelles/details/das-veroeffentlichen-von-kinderfotos-ohne-die-zustimmung-des-anderen-elternteils.html#rechtlich])

 

Rein rechtlich können Eltern definitionsgemäß also die Babybilder ins Netz stellen. Achso: im Fall von Scheidungen der Eltern gilt: haben beide weiterhin das Sorgerecht müssen auch beide der Veröffentlichung zustimmen. (Grundlage: §§ 1626, 1629 BGB)

 

Dennoch Achtung! Könnte das Kind bei Volljährigkeit Ihre Eltern verklagen? Grundlegend ja. „Aber auch Minderjährige können gegen die eigenen Eltern einen Unterlassungsanspruch wegen der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts haben, wenn Fotos zu einem Zeitpunkt veröffentlicht wurden, in dem das Kind wegen mangelnder Einsichtsfähigkeit noch nicht mitentscheiden konnte. Dabei sollten allerdings Verjährungsfristen beachtet werden. Weiterhin bestehen auch Ansprüche auf Löschung (Art. 17 DSGVO) und Auskunft (Art. 15 DSGVO).“ 

(Quelle: [https://www.rechtsanwalt-gessner-berlin.de/recht-am-eigenen-bild-von-kindern/]).

 

Zudem sollten wahrscheinlich alle einmal ein Blick auf § 201a StGB - Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen ansehen ([http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/\_\_201a.html]). Vorsicht gerade bei Bildern welche Kinder später als peinlich oder zur Schau stellen ansehen könnten. 

 

Auf diese Problematik ging TOYAH DIEBEL mit Ihrer Kampagne #deinkindauchnicht ein und ruft dazu auf, sich einmal mehr Gedanken dazu zu machen, welche Bilder im Netz veröffentlicht werden 

 

Screenshot der Internetseite von Dein Kind auch nicht. Zu sehen sind Bilder mit Willy Gonzales, welcher Babyposen einnimmt beim Essen oder auf dem Töpfchen sowie die Initiatorin Hoya wie sie gestillt wird.
Screenshot: [https://deinkindauchnicht.org/#bilder], Juni 2021

Ich konnte noch keine Gerichtsbeschlüsse finden, in welchen Kinder Ihre Eltern tatsächlich verklagt haben. Diese Tatsache an sich bedeutet jedoch nicht, dass es nie passieren wird. Und am Ende, sollte die Beziehung zum eigenen Kind nicht gestört werden, wegen ein paar Fotos, also besser jetzt überlegen, ob es das wert ist. 

 

Ein kleiner Zusatz aus den Richtlinien bei YouTube: 

 

Minderjährige in deinen Inhalten schützen

 

Wir möchten dadurch Uploader und Zuschauer gleichermaßen schützen. Bevor du Inhalte von dir, deiner Familie oder deinen Freunden veröffentlichst, überlege dir gut, ob dadurch irgendjemand zum Ziel negativer Aufmerksamkeit werden könnte. 

 

Minderjährige sollten immer von einem Erwachsenen beaufsichtigt werden und die Aktivitäten sollten dem Alter entsprechen. Beispielsweise können Hobbys präsentiert, Lehrvideos erstellt oder öffentliche Vorführungen gezeigt werden.

Auch die Kleidung sollte altersgerecht sein. Freizügige oder enge Kleidung sollte vermieden werden. 

Über die YouTube-Datenschutzeinstellungen kannst du festlegen, wer deine Videos ansehen kann.

 

Die folgenden Inhalte mit Minderjährigen dürfen auf YouTube nicht veröffentlicht werden: 

 

- Aufnahmen in privater Umgebung in den eigenen vier Wänden wie Schlafzimmer oder Badezimmer

- Videos mit Minderjährigen, die Kontakt mit Fremden aufnehmen oder über nicht jugendfreie Themen sprechen bzw. von Mutproben oder Challenges online

- Aufnahmen von Aktivitäten, die unerwünschte Aufmerksamkeit auf Minderjährige lenken könnten, z. B. Akrobatikvorführungen mit Kontorsion oder ASMR-Videos

- Videos, in denen persönliche Details über Minderjährige preisgegeben werden

 

(Quelle: https://support.google.com/youtube/answer/2801999?hl=de#zippy=%2Cinhalte-mit-minderjährigen) 

 

Ok ,YouTube wir müssen einmal darüber reden wie es sich mit der Durchsetzung der eigenen Richtlinien verhält! 

 

 

 

Geben wir doch einmal "Kind baden" in die Suchleiste bei YouTube ein. Da finden sich tatsächlich mehr als nur ein Inhalt. In diesem Video von „Mamaleen“ bzw. „MultiMOMs“ finden wir 2 Kinder, welche offensichtlich unbekleidet im heimischen Badezimmer baden. Das sollte doch eigentlich gegen die Richtlinien verstoßen oder YouTube? 

Screenshot der Seite YouTube. Zu sehen ist das Tumbnail zu einem Video des Kanals "Multimoms" mit dem Titel "6 Tolle Ideen für die Badezeit" die Gesichter der Kinder wurden von mir unkenntlich gemacht.
Screenshot: Youtube, Juni 2021, Die Gesichter der Kinder wurden von mir unkenntlich gemacht.

2. Wie verhält es sich denn mit Kinderarbeit? 

 

Ok, also erstens Kinderarbeit ist in Deutschland verboten. Dies Regelt § 5 Jugendschutzgesetz – Verbot der Beschäftigung von Kindern.

 

Aber es gibt doch Kindermodels und Kinderschauspieler*innen  werden jetzt vielleicht einige denken.

 

Ja, § 6 Jugendschutzgesetz macht da ein paar Ausnahmen: 

 

„(1) Die Aufsichtsbehörde kann auf Antrag bewilligen, daß

1. bei Theatervorstellungen Kinder über sechs Jahre bis zu vier Stunden täglich in der Zeit von 10 bis 23 Uhr,

2. bei Musikaufführungen und anderen Aufführungen, bei Werbeveranstaltungen sowie bei Aufnahmen im Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen), auf Ton- und Bildträger sowie bei Film- und Fotoaufnahmen

a) Kinder über drei bis sechs Jahre bis zu zwei Stunden täglich in der Zeit von 8 bis 17 Uhr,

b)Kinder über sechs Jahre bis zu drei Stunden täglich in der Zeit von 8 bis 22 Uhr gestaltend mitwirken und an den erforderlichen Proben teilnehmen. Eine Ausnahme darf nicht bewilligt werden für die Mitwirkung in Kabaretts, Tanzlokalen und ähnlichen Betrieben sowie auf Vergnügungsparks, Kirmessen, Jahrmärkten und bei ähnlichen Veranstaltungen, Schaustellungen oder Darbietungen.

 

(2) Die Aufsichtsbehörde darf nach Anhörung des zuständigen Jugendamts die Beschäftigung nur bewilligen, wenn

1.die Personensorgeberechtigten in die Beschäftigung schriftlich eingewilligt haben,

2. der Aufsichtsbehörde eine nicht länger als vor drei Monaten ausgestellte ärztliche Bescheinigung vorgelegt wird, nach der gesundheitliche Bedenken gegen die Beschäftigung nicht bestehen,

3. die erforderlichen Vorkehrungen und Maßnahmen zum Schutz des Kindes gegen Gefahren für Leben und Gesundheit sowie zur Vermeidung einer Beeinträchtigung der körperlichen oder seelisch-geistigen Entwicklung getroffen sind,

4. Betreuung und Beaufsichtigung des Kindes bei der Beschäftigung sichergestellt sind,

5. nach Beendigung der Beschäftigung eine ununterbrochene Freizeit von mindestens 14 Stunden eingehalten wird,

6. das Fortkommen in der Schule nicht beeinträchtigt wird.

 

(3) Die Aufsichtsbehörde bestimmt,

1. wie lange, zu welcher Zeit und an welchem Tag das Kind beschäftigt werden darf,

2. Dauer und Lage der Ruhepausen,

3. die Höchstdauer des täglichen Aufenthalts an der Beschäftigungsstätte.“

(Quelle: [https://www.gesetze-im-internet.de/jarbschg/BJNR009650976.html#BJNR009650976BJNG000200314])

 

„Kinder über drei bis sechs Jahre bis zu zwei Stunden täglich in der Zeit von 8 bis 17 Uhr“ Aber was ist denn jetzt mit den Babys? Ja, Babys dürfen da wohl nicht arbeiten! 

 

 Nun würde ich gerne mit noch viel mehr Gesetzestexten rumwedeln. Kann ich aber leider nicht. Gilt am Ende für die Youtube Sprösslinge nichts anderes als für Kinderschauspieler? Nun ja, so genau ist das leider immer noch nicht geregelt und da fängt das Problem bereits an. Ab wann arbeitet ein Kind? Schließlich argumentieren viele Eltern mit „das Kind macht das doch gerne“ „das ist keine Arbeit“ „Es ist doch mehr so was wie ein Hobby“. Dabei wage ich einmal die These aufzustellen, dass eine 3-Jährige nicht das Hobby hat mehrere tausend Menschen zu unterhalten bzw es auch nur im Ansatz begreifen kann, was da passiert, wenn Mama mit der Kamera vor ihm/ihr steht. 

 

Grundlegend liegt die Oberhand über Arbeit von Kindern bei den Gewerbeaufsichtsämtern. Und nach aller Recherche fehlen diesen auch klare Richtlinien bzw. Gesetze. 

 

Toyah Diebel  (#deinkindauchnicht) fordert in Ihrer Petition an den Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, eine Überarbeitung des Jugendarbeitsschutzgesetzes und dessen Anpassung an zeitgemäße Plattformen, wie z.B. YouTube und Instagram. Die Petition könnt ihr hier unterschreiben:  https://www.change.org/p/bundesministerium-für-justiz-und-verbraucherschutz-digitale-kinderarbeit-braucht-regeln

 

Screenshot der Seite Change.org auf welcher die Petition zu sehen ist.
Screenshot: Change.org, 06. Juli 2021

Ein weiteres Beispiel: 

Lisa und Lena wurden bereits mit 13 sehr bekannt, über die Social Media Plattform Musical.ly (inzwischen als TIKTOK bekannt) und reden in einem YouTube-Interview inzwischen recht offen darüber, dass sie mit 14 intime Fotos von Männern bekommen haben (Quelle: [https://www.youtube.com/watch?v=tezsFICNqcQ)]). Was klar aus dem Interview herausgeht: Sie haben den Kanal erstellt. Und waren einer der erfolgreichen Kanäle auf der Plattform mit 30 Mio. Followern. Was auch bekannt ist: als die Mädchen im April 2019 entschieden, dass die Platform zu unsicher sei (musical.ly hatte anfangs schwere Probleme mit freizügigen Kindervideos, welche auch anfänglich nur die Umbenennung in TikTok nicht ändern konnte) sind sie ausgestiegen und haben Ihren Account gelöscht. Zudem gibt es nur wenige Interviews mit den Eltern und man mag bei diesem Beispiel daran glauben, dass Eltern wirklich nur ihren Job als Begleitung der berühmten Kinder machten, um diese unterwegs zu beschützen und auf sie Acht zu geben. Im Interview erzählen Sie zudem wie sie ihre Eltern gefragt haben, ob sie ihr erstes Video überhaupt hochladen dürfen. Klingt zumindest alles danach, dass diese Mädchen es wirklich selbst wollten. Inzwischen sind die beiden 18. Zurück auf TikTok und alt genug um zu arbeiten und zu teilen, wie und was sie möchten. 

 

Sollten wir nun alle mit Fackeln losstürmen, sobald jemand ein Bild seines Kindes postet? Ich denke nicht. Am Ende muss es jedem selbst überlassen werden, solange der vorhandenen rechtlichen Rahmen eingehalten wird. Und die gute Seite von all dem Teilen ist sicherlich andere auf einige Teilbereiche des Elterndaseins vorzubereiten. Dennoch solltet ihr euch, als Eltern,  im besten Fall folgende Fragen stellen und Punkte beantworten: 

 

  1. Poste ich einmal ein Bild meines Kindes oder ist mein Kind der essenzielle Bestandteil meines Kanals? 
  2. Ist mein Kind ausreichend bekleidet? Ja, auch sehr harmlose Bilder sind nicht gefreit, jedoch ist das Strandbild anfälliger als ein bild, in welchem das Kind vollständig bekleidet ist. 
  3. Würde ich das Bild Ok finden, wenn ich das Kind wäre? 
  4. Bei älteren Kindern: findet mein Kind es OK, wenn ich dieses Bild teile?
  5. Sind auf dem Bild keine Rückschlüsse auf den Wohnort/ Schule/ übliche Stätten (zb. Tanzschule) zu welchen mein Kind regelmässig geht zu finden. 
  6. Hat mein Kind seinen Rückzugsort? Das Kinderzimmer sollte frei von Posts bleiben (höchstpersönlicher Lebensraum). 
  7. In welchem Kontext wird das Bild erstellt? Süßes Urlaubsbild oder möchtet ihr gerade alle darüber aufklären wie der aktuelle Stuhlgang ist (Peinlichkeitsfaktor). 
  8. Macht mein Kind Produktwerbung? Wenn ja – Kinderarbeitsschutz – Rücksprache mit dem Jugendamt 
  9. Hat mein Kind Spaß an der Sache (also wirklich spaß nicht „Mama hat mich dann lieber“. 
  10. Auf welcher Plattform teile ich das Bild – was steht in den Datenschutzerklärungen der Plattform – kann ich die Sichtbarkeit ggf. auch einschränken. 

 

Aber selbst wenn ihr all diese Dinge beachtet: müssen wir an einen Punkt denken und Achtung in Teil 5 wird es morgen dunkel – sehr dunkel. 

 

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